Die Elfenbeinmaske by James Twining

Die Elfenbeinmaske by James Twining

Autor:James Twining [Twining, James]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-04-30T16:00:00+00:00


40

Metro-Station Spagna, Rom 19. März – 9.27 Uhr

Der Zug fuhr in den U-Bahnhof ein. Die Metallwände der Wagen waren mit kunstvollen Graffiti übersät – der zornigen Poesie der unzufriedenen und rebellischen Jugendlichen. An einigen Stellen hatten die Behörden die Wagen gesäubert, ohne Zweifel in der Hoffnung, den Großteil der Bevölkerung vor diesen gefährlich subversiven Stimmen zu schützen. Diese Bemühungen waren allerdings vergeblich, und die Umrisse der zensierten Gedanken war trotz der bleichenden Wirkung der Reinigungschemikalien noch deutlich sichtbar.

Zischend öffneten sich die Türen, und Tom und Allegra wurden mit der Menschenmenge durch die Gänge und die Rolltreppen hinaufgedrängt, bis sie die Straße erreichten, wo sie im Schatten der Spanischen Treppe stehen blieben.

«Gehen wir ins Zentrum», sagte Tom und schüttelte die Straßenhändler ab, die ihn am Ärmel zupften. «Bleiben wir innerhalb der Menge.»

«Ich wüsste, wo wir einen guten Kaffee bekommen», erwiderte Allegra mit einem Nicken.

Zehn Minuten später saßen sie in einer kleinen Nische im hinteren Teil eines Cafes auf der Piazza Campo Marzio, aßen Gebäck und tranken Espresso.

«Zu stark für Sie?», fragte Allegra lächelnd, als Tom einen Schluck nahm.

«Genau richtig», entgegnete er mit verzerrtem Gesicht, während er sich umblickte.

Das Lokal sah aus, als wäre seit Jahrzehnten kein Handschlag mehr daran getan worden. Die Bodenfliesen waren gebrochen und schief, die ehemals weiß getünchten Ziegelmauern gelb vom Zigarettenrauch und mit verblassten Fahnen des Fußballvereins Roma und ungeschickt gerahmten Fußball-Spielprogrammen behängt. Der Ehrenplatz hinter der abgenutzten Theke gehörte jedoch dem signierten Foto eines früheren Roma-Kapitäns, der zu einer Zeit, als das Cafe noch eleganter gewesen war, einmal auf einen Prosecco vorbeigekommen war. Von Tom und Allegra abgesehen, war das Lokal fast leer, nur ein paar Bauarbeiter saßen an der Theke.

«Haben Sie sich dieses Lokal absichtlich ausgesucht?»

«Wie meinen Sie das?»

«Caravaggio hat in der Nähe des Campo Marzio einen Mann getötet.»

«Stimmt, das hatte ich ganz vergessen.» Sie runzelte nachdenklich die Stirn. «In einem Duell, oder?»

«Im Streit über den Punktestand bei einem Tennisspiel», sagte Tom und gab mehr Zucker in seinen Kaffee, um den bitteren Geschmack zu überdecken. «So heißt es zumindest. Degen wurden gezogen, und in dem Tumult…»

«Und deshalb musste er nach Sizilien?»

«Über Neapel und Malta. Er hat die ‹Geburt Christi› gemalt, während er auf der Flucht war.» Tom schwieg kurz. «Das ist das Wunderbare an Caravaggio: dass er als Mensch solche Fehler hatte und dennoch zu solcher Schönheit fähig war. Man sagt, seine Gemälde seien wie ein Spiegel der Seele.»

«Sogar Ihrer Seele?», fragte sie, und Tom bemerkte den Anflug von Ernsthaftigkeit hinter ihrem neckenden Lächeln.

«Vielleicht. Wenn ich eine hätte», gab er grinsend zurück.

Allegra bestellte noch zwei Kaffee.

«Was machen wir jetzt mit Johnny?», fragte sie, als der Kellner davonging.

«Was bleibt uns schon übrig?», erwiderte Tom schulterzuckend. «Selbst wenn wir den Wagen nicht zu Schrott gefahren hätten, es wimmelt dort jetzt von Polizei. Wir müssen abwarten, bis Archie anruft, und Johnny dann bar bezahlen.»

«Archie?»

«Mein Geschäftspartner. Er ist nach Genf unterwegs, aber er kennt hier Leute. Leute, die uns fünfzigtausend Euro leihen, ohne zu viele Fragen zu stellen. Es dauert eventuell bis heute Abend, aber sobald wir das Geld haben, können wir Johnny wieder aufsuchen, ihm das Geld geben, und dann sehen wir, was er weiß.



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